Familie Villano kehrt nicht zurück

VILLANO7Rückkehr oder Integration: der Film bringt die Fragen, die zwanzig Jahre Ausländerbeschäftigung in der Bundesrepublik mit sich bringen, auf einen Punkt.
Der Film erzählt vom Alltag einer italienischen Großfamilie, der Familie Villano, die nach fünfmaliger Rückkehr in ihre Heimat - ein kleines Dorf bei Neapel - beschlossen hat, nun für immer in Deutschland zu bleiben. In einer Art Spurensuche erforscht der Film die Stationen und Kontaktstellen mit der deutschen Gesellschaft und zeigt an den Mitgliedern der Familie - zehn Personen -, wie sich heimische Lebensform und traditionelles Wertesystem durch die Konfrontation, aber auch in der Wechselbeziehung mit einer anderen, der westdeutschen Gesellschaft verändern. Die Familie wird zum Halt in der Fremde.


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FAMILIE VILLANO KEHRT NICHT ZURÜCK  ist ein 110 minütiger Kinodokumentarfilm von Hans Andreas Guttner von 1981, der auf den 30. Internationalen Filmwoche Mannheim uraufgeführt wurde.

Der Film wurde in die Liste der 500 filmhistorisch wertvollen und förderungswürdigen Filme des Deutschen  Kinemathekverbunds (Filmerbe) aufgenommen. Es ist der erste lange Dokumentarfilm zum Thema Arbeitsmigration und der zweite Teil der Pentalogie Europa – ein transnationaler Traum (1979 – 1996).

 

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Produktionsland:            Deutschland

Originalsprache:             Deutsch und Italienisch

Erscheinungsjahr:          1982

Länge:                            110 Min.

 

Stab          

Regie                                Hans Andreas Guttner

Buch                                 Hans Andreas Guttner

Kamera                            Rudolf Blahacek

Kameraassistenz             Roman Rogulja

Licht                                 Friedrich Klütsch

Lichtassistenz                  Roland Zag

Schnitt                              Hans Andreas Guttner

                                         Liane Theuerkauf

Ton                                   Thomas Vering

Tonassistenz                    Cinzia Th. Torrini

Tonmischung                    Willi Schwadorf (Arri)

Grafik                                Heinz Langer

Musik                                Hans Andreas Guttner

Produktionsfirma              Guttner Film (München)

Produktion                        Hans Andreas Guttner, Jutta Malin

Verleih                              Verleihgenossenschaft der Filmemacher

 

Dreharbeiten                     Fürth, Nürnberg, Lausdomini (bei Neapel)

Filmförderung                    Kuratorium Junger Deutscher Film

Format                              16mm, 1:1,37

Uraufführung                     6.10.1981 (Internationale Filmwoche Mannheim)

Kino:                                  7.5.1982 (City-Kinocenter, Fürth)

Festivals:                            Duisburg, Florenz, Mannheim

 

Inhalt

Familie Villano kehrt nicht zurück ist ein Film von und mit den Villanos, einer Familie, die aus dem Dorf Lausdomini bei Neapel aufgebrochen war, weil es dort keine Arbeit mehr gab, die ihnen ein angemessenes Leben ermöglicht hätte, und die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten – nach fünfmaligem Hin und Her - schweren Herzens den Entschluss gefasst hatte, in Deutschland zu bleiben.

Der Film beginnt mit einer langsamen Annäherung (so wie sich die Villanos Deutschland in einer langen Bewegung genähert hatten) – einer fünfminütigen subjektiven Fahrt durch die frühmorgendlich leeren Straßen von Fürth bis vor die Eingangstür des Hauses, in dem die Villanos wohnen. Zugleich hören wir auf der Tonspur Ausschnitte aus Bundestagsreden, die die Rückkehr der Migranten in ihre Heimat beschwören. Am Schluss wird das Lied „Torna al Sorriento“ mit dem „Wir kehren nicht zurück“ der Familie konterkariert und als Illusion desavouiert. Innerhalb dieser mehrfach kontrapunktischen Klammer zeigt der Film den Alltag der Villanos in Fürth und einen Besuch in ihrem Heimatdorf.

Es ist ein Film der kontrastierenden Beobachtungen, der mit relativ wenig Sprache auskommt. Der Film muss nichts erklären, die Villanos müssen nichts erklären. Der Zuschauer erlebt die Villanos nicht als Fremdkörper; sie werden uns im Laufe von anderthalb Stunden so vertraut, dass wir die Welt mit ihren Augen zu sehen beginnen.

Das Thema von Familie Villano kehrt nicht zurück heißt: Verlust und Notwendigkeit – Verlust der Heimat, Notwendigkeit der Migration. Dem stellten die Villanos den Zusammenhalt der Familie entgegen, eine Solidarität, die als ein Gegenmodell zur modernen Gesellschaft erscheint, in der die soziale Kommunikation einem egoistischen Individualismus und Sozialdarwinismus weichen musste.

In der Berliner Morgenpost[1] wurde der Film als ein „stilles und beredsames Meisterwerk“ bezeichnet, und die Frankfurter Rundschau[2] empfahl:

„Man sehe sich diesen Film an; es lohnt sich. Kino, das bedeutet schließlich mehr als hochgespannte Träume, als falsche Fluchten, hier ist es: Auskunftsmittel, das uns der Wirklichkeit näher bringt.“

Wirkung und Rezension

Um 1980 begann eine neue Phase in der Geschichte des deutschen Dokumentarfilms. Es war eine Zeit heftiger gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen und Debatten.

Der Film Familie Villano kehrt nicht zurück spielte dabei eine entscheidende Rolle, was das Feuilleton und das künftige internationale Münchner Dokumentarfilmfestival betraf. Da es Anfang der 80er Jahre nur drei bis vier Dokumentarfilme jährlich ins Kino schafften, wurden diese Filme von der Presse kaum beachtet. Als zur Münchner Pressevorführung von Familie Villano kein einziger Rezensent kam, lancierte Guttner über die Verleihgenossenschaft der Filmemacher eine Wette, um zu erreichen, dass Dokumentarfilme vom Feuilleton wahrgenommen würden. Die Wette, wonach nichtkommerzielle Dokumentarfilme aufgrund fehlenden Anzeigenvolumens von der Kritik im Unterschied zum kommerziellen Spielfilm nicht beachtet würden, erschien in der Zeitschrift Kirche und Film[3] und hatte eine verblüffende Wirkung: Bereits die nächsten Dokumentarfilme wurden in den Münchner Zeitungen ausführlich besprochen.

Das Unverständnis für neue Formen des Dokumentarfilms war anfangs nahezu allgemein. So verlangte die FBW für FAMILIE VILLANO einen einordnenden Kommentar, und auf Seite der politischen Filmemacher waren fast nur „sprechende Köpfe“ erwünscht. Alles andere galt als Formalismus. „Um die internationale Formenvielfalt des Dokumentarfilms zeigen zu können“, hatte Hans A. Guttner die Idee ein internationales Festival anzuregen. Er initiierte über die AG Dokumentarfilm in vierjähriger Kleinarbeit zusammen mit Bertram Verhaag das Internationale Dokumentarfilmfestival München.

Einzelnachweise

  • Berliner Morgenpost, „Mustergültig“, 8.1.1983
  • Frankfurter Rundschau, „Warum sie hier bleiben“, 10.9.1982
  • Kirche und Film, „Angebot einer Wette“, 10/1982

Filmreihen

Kommen Bleiben Gehen (Kulturprojekt Nürnberg, Fürth, Erlangen, Schwabach)(1990)

Europa und die neue Völkerwanderung (Kulturzentrum Gasteig, Filmworkshop) (29.11.1992)

Ausland im Inland (Das Kino, Salzburger Kulturzentrum) (März, 1994)

„Für 50 Mark einen Italiener“. Zur Geschichte der Gastarbeiter in München (Ausstellung im Hauptbahnhof München mit Filmreihe im Filmmuseum München)( 2000)

Il cammino della speranza/Weg der Hoffnung – Die Migration im deutsch-italienischen Film (Filmtournee in Italien, Goethe-Institut: Rom, Turin, Padua, Olbia, Verona, Aosta, Caltanissetta, Cagliari, Agrigento, Bari, Palermo, Florenz, Cefalù, Neapel.

Cineforum Italiano al Film Forum Hoechst, Speciale 50 anni immigrazione (2005)

Filmreihe Napoli-Bochum-Rimini (Filmmuseum München, 21.03. 2006)

Kommunales Kino Freiburg, Tag der Arbeit, 15.1.12012

Filmreihe Verständigung, Filmclub munavero Rodgau Nieder-Roden, 8.11.2014

Filmhaus Nürnberg, Heimat! Das Filmfestival, „Fremde in der Heimat“, 2015

„Leben in Alamanya“ – Außergewöhnliche filmhistorische Dokumente über Migration, Kommunales Kino Freiburg 3.10. 2018

Filmliste agdok: 40 Jahre - 108 Filme (2019)

„In Rücksprache“, Arsenal Berlin, 4.5.2023

Rezensionen und Interviews

Fürther Nachrichten, „Schule als Filmstudio“, 30.1.1980

Fürther Nachrichten, „Die Stadt in der Hauptrolle“, 12.2.1980

Schwedischer Rundfunk (Vardags-Redaktion, Kanal 1 national, Redaktion: Lisbeth Lindeborg), 7.10.1981

Badische Neueste Nachrichten, 8.10.1981

Mannheimer Morgen, „Zu schön um wahr zu sein“, 8.10.1981

Il Tempo, Questo è un festival „Off“, 22.10.1981

FAZ, 15.10.1981

SFB, 10/1981

Protokult, Duisburger Filmwoche 1981

Der Tagesspiegel (1982)

Fürther Nachrichten, „Große Premiere in Fürth“, 10.5.1982

Plärrer , Mai 1982

Kirche und Film, Mai 1982

Filmbeobachter, Juni 1982

City München, 9/1982

Hessische Allgemeine, 2.9.1982

Corriere d’Italia, „La famiglia Villano non torna indietro“, 12.9.1982

The German Tribune, „The tale of a migrant family that is here to stay“, 3.10.1982

Filmdienst, Oktober 1982

Münchner Stadtzeitung, „Ausländer rein!“, 10/1982

Der Tagesspiegel, 29.10.1982

Zitty, „Im Schoß der Familie“, 23/1982 (Rezension und Interview)

Nürnberger Nachrichten, 6.11.1982

Il Mattino, „L’Italia è bella, ma restano lì“, 14.11.1982

Welt der Arbeit, 6.1.1983

Medien praktisch, 1/1983

Fernsehspiel im ZDF, 1/1983

Müncher Merkur, „Warum Familie Villano nicht zurückkehren kann“, 5./6.1.1983

Kieler Nachrichten, „Hautnaher Einblick“, 8.1.1983

Die Welt, „Ostern feiern sie in der Heimat“, 8.1.1983

Berliner Morgenpost, „Mustergültig“, 8.1.1983

Süddeutsche Zeitung, „Aushilfe“, 8.1.1983

Westfälische Rundschau, „Der Riß zwischen Mensch und Gastarbeiter“, 8.12.1982

Stuttgarter Zeitung, „Auf der Schneide“, 8.1.1983

Fürther Nachrichten, „Fremd wie die verlassene Stadt“, 8./9.1.1983

Kölner Stadt-Anzeiger, „Mannigfach“, 8./9.1.1983

Westfälische Nachrichten, 8./9.1.1983

Badische Neueste Nachrichten, „Die Kehrseite“, 8.1.1983

FAZ, „Heimatlos in Fürth“, 8.1.1983

Westfälische Rundschau, „Der Riss zwischen Mensch und Gastarbeiter“, 8.1.1983

Westdeutsche Zeitung, „Keine Heimkehr“, 8.1.1983

Badische Zeitung, „Von Neapel nach Fürth“, 8./9.1.1983

Medien + Erziehung, „Die Dritte Welt bei uns“, 4/83

„Bayerisches Brot statt Neapels Not“, Neue Presse Hannover (1983)

Stuttgarter Zeitung, „Rückkehr unmöglich“, 1983

Fürther Nachrichten, „Dilemma der Millionen“,  1983

Die Harke, „Nach Hause schicken?“ (1983)

Süddeutsche Zeitung, „Weder hier noch dort zu Hause“,  (1983)

Kieler Nachrichten „In der Heimat keine Arbeit“, (1983)

Schwarzwälder Bote „Als Ausländer unter Deutschen“, (1983)

Wiesbadener Kurier, „Endgültig hiergeblieben?“ (1983)

Nürnberger Zeitung,  „Schöne Stimmungen“,  (1983)

TAZ, „Zeitlose Phrasenblasen“, 3.5.2023